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Island

Hier bekommst du exklusives background Material zu meiner Reise.

Let's go to Island!

mit Harley Davidson 

Hier habe ich alle meine Erlebnisse von meiner Reise nach Island gesammelt. Die Landschaften waren atemberaubend und ich freue mich schon darauf, wieder zurückzukehren.

Etappe 1 – Anreise

Um mich herum tummeln sich Menschenmassen. Ich befinde mich im Zug von Flensburg nach Baden-Baden. Dabei habe ich all mein Gepäck: Zelt, Schlafsack, Isomatte und den Krempel, den ich sonst noch so seit drei Jahren mit mir um die Welt schleppe. Nicht zu vergessen: mein Plüschaffe ist selbstverständlich auch dabei! Ich halte ihn fest in meinen Händen und realisiere, dass die Reise jetzt weiter geht. Der Zug rauscht über eine Brücke.

„Ich bin auf dem Weg zu meinem neuen, eigenen Motorrad.“

Ich unterdrücke meine Tränen – Freudentränen. Noch immer kann ich nicht glauben, dass mein Traum von einer Reise nach Island möglich wird.
Dieses Glück habe ich Harley-Davidson Deutschland zu verdanken. Seit einigen Monaten verfolgen sie meine Abenteuer auf meinen Social-Media-Kanälen und entschieden sich letztendlich dafür, mit einer Kooperationsanfrage auf mich zuzukommen. Nach einer kurzen Besprechung einigten wir uns für kommende Reisen auf eine Harley Nightster, umgebaut und angepasst auf mich und meine Reisen.
Mein neues Bike wurde bei Rick’s Motorcycles in Baden-Baden umgebaut, der Ort an dem ich mein neues Bike zum ersten Mal sehen und von dort aus ich meine Reise nach Island antreten werde! Der Ort, an dem mich jetzt vor Aufregung die Bauchschmerzen plagen. „Bahhhggg“, bin ich aufgeregt!
Voller Vorfreude steige ich die Treppen des Bahnhofs hinab und mache mich auf den Weg zum Custom-Meister. Dort angekommen steigt mein Herzschlag auf gefühlte 180 und ich entdecke ein Bike, welches von einer dunklen Plane verdeckt ist. Meine neue Nightster?!
Rick, der Custom-Meister, und Nils, verantwortlich für das Zustandekommen der Kooperation, sind beide vor Ort. Gemeinsam ziehen sie die Plane vom Bike und da steht sie! Das schönste Bike, was ich je gesehen habe! Der Lack in Retro-Weiß, shabby lackiert. Genauso ranzig, wie ich es liebe. Offroad-Bereifung, anderer Lenker, Zusatzscheinwerfer, Griffheizung (!), USB-Anschlüsse uns sogar ein extra für mich angefertigter Gepäckträger für meine Taschen! In mir drinnen dreht sich alles: „Womit habe gerade ich dieses Glück verdient?“ Mir verschlägt es im Moment schlichtweg die Sprache. Ein Augenblick, den ich so überhaupt nicht in Worte fassen kann; viel zu schön, viel zu intensiv hat er sich als einmaliges Gefühl in mein Hirn eingebrannt.

Mit zitternden Händen stelle ich die Maschine auf, drücke auf den Starter und fahre meine ersten Meter mit diesem einzigartigen Bike.


Wahnsinn! Durch den tiefen Schwerpunkt spüre ich die rund 200 Kilo unter meinem Hintern kaum. Aber was ich spüre, ist die Power und somit die unbändige Lust auf mehr! Mehr Offroad. MEHR Straße. MEHR Abenteuer… Island, ich komme!
Naja, ganz so schnell geht’s dann doch nicht; denn für alle, die es noch nicht wissen: Ich bin soooo verpeilt! Und das nicht nur ein bisschen! Um es kurz zu machen: ich habe vergessen, ein Fährticket nach Island zu kaufen… Ein Dilemma, das nur mir passieren kann.
Nun, am Ende bleibt mir nix anderes übrig, als den nächsten freien Platz nach Island auf der Fähre mit einem Zwischenstopp auf den Färöer-Inseln zu buchen. Am 6. August ist es dann endlich so weit. Ich verabschiede mich von Rick, Harley-Davidson Deutschland, meiner Familie und meinen Freunden.
Mit meiner Nightster fahre ich nach Dänemark und nehme die Fähre von Hirtshals aus. Verträumt stehe ich an der Reling und schaue in die Ferne. Die Sonne färbt den Himmel weinrot und die gut vier Meter hohen Wellen schütteln die Fähre gewaltig durch.
Draußen ist es frisch und nur meine Motorradjacke schenkt mir etwas Wärme. An Deck schaue ich mich um; niemand hier. Die Menschenmassen, die sich noch vor wenigen Stunden hier an Deck versammelt haben, verkriechen sich mittlerweile in ihren Kabinen. Vermutlich ist den Leuten schlecht und sie göbeln fleißig um die Wette. Meine Vermutung bestätigt sich indirekt, als eine fette Welle auf die Fähre klatscht, mich einige Meter über das Deck mitreißt und ich im Erbrochenen zum Erliegen komme. „Bäääh!“, denke ich und schüttelte die Kotz-Reste von meiner Jacke. Auch mir ist spätestens jetzt flau im Magen und es ist echt der richtige Zeitpunkt, sich in die Kabine zu begeben. Ich hatte die Idee: „Schnell schlafen bevor auch mich die Seekrankheit ereilt.“

Etappe 2 – Dänemark

Am nächsten Morgen wache ich von den Lautsprecherdurchsagen auf der Fähre auf. Es ist Zeit, meine Sachen zusammenzuräumen und die Fähre für einen kleinen Zwischenstopp auf die Färöer-Inseln zu verlassen. Ich stülpe mir meine drei dicken Pullis über, werfe meine Motorradjacke, sowie die Regenkombi oben drüber und verlasse mit meinem Bike die Fähre. OBWOHL ich so fett eingepackt bin, bereue ich gerade mein Reiseziel – zumindest für einen kurzen Moment, denn ich werde unmittelbar vom Starkregen und dem heftigen Wind von der Straße gefegt. Nur schwer bekomme ich meine Harley wieder in die richtige Spur. Mein Herz rast.

„Weniger als eine Minute auf der Insel und schon muss ich Angst um mein Leben haben“

Ich muss kurz anhalten, um einmal tief durchzuatmen und mich zu sammeln. Erschwerend peitscht mir auch noch der Regen ins Gesicht und ich kann kaum meine Augen offenhalten. Typisch: hätte ich mir zu meinem geilen Helm noch eine gescheite Brille ausgesucht, hätte ich immerhin ein Problem weniger… Ich kann mir dennoch ein Schmunzeln nicht verkneifen. DAS bin nun mal eben ich und DAS sind einfach meine Abenteuer.
Bei fünf Grad Celsius und völlig unterkühlt folge ich irgendwelchen Straßen. Der Nebel zieht sich über die gesamten 18 Färöer-Inseln und macht die kühle Lage zwar nicht angenehmer, aber dafür umso schöner. Die Natur hier ist einmalig! Vielleicht sogar das Schönste, was ich je sehen durfte. Grün, nass, nebelig… So wahnsinnig mystisch – einfach WOW!

In meinen Tagträumen gefangen, habe ich die Kälte mittlerweile komplett ausgeblendet. Zu schön ist die Natur und zu viel Spaß macht das Motorradfahren. Da muss ich mich doch nicht wegen irgendwelcher Kleinigkeiten aufregen.
Eine Landstraße führt mich immer weiter hinauf auf einen Berg. Links ein Abgrund, in dem sich gerade eine Wolkenwand aufbaut. Im Regen kommt das Grün der Gräser erst richtig zur Geltung. Und der Geruch erstmal! „Dass ich das erleben darf“, denke ich und kann meinen Blick erst lösen, als ich in meinem Augenwinkel eine Bewegung wahrnehme. Schafe. Anstelle einer Bremsung oder einfach auf der Straße zu bleiben, mache ich reflexartig das, was ich nicht machen sollte: ausweichen. Der Starkwind, gegen den ich zuvor mit meinem Lenker arbeiten musste, ist in diesem Moment auch nicht gerade förderlich. Haarscharf verfehle ich die Klippe. Während ich kurz vor einem Herzinfarkt stehe und Schnappatmung habe, spaziert die Schafherde seelenruhig weiter.
Für heute reichen mir die Abenteuer. Ich parke mein Motorrad ein Stückchen weiter am Wegesrand, baue mein Zelt auf und koche mir mit meinem Gaskocher Spaghetti „Bolo“. Mit vollgeschlagenem Magen schlüpfe ich in meinen Schlafsack, genieße nochmals die atemberaubende, grüne Landschaft und schließe mein Zelt.
Warm eingekuschelt lausche ich dem Wind und dem leichten Prasseln des Regens auf meiner Zeltwand. Glücklich und zufrieden schlafe ich ein und werde erst am nächsten Morgen vom Starkwind wieder geweckt.

Etappe 3 – die drei Schweden

Mein Zelt wird vom Starkwind nur so durchgeschüttelt. Ich merke, wie meine Heringe Probleme haben, dem Stand zu halten. Der Regen peitscht gegen meine Zeltwand und lässt mich innerlich erzittern. So gar kein Bock habe ich, bei der Kälte und dem Sturm aus meinem Schlafsack raus und meinen ganzen Krempel wieder zusammenzupacken. Nix ist ekliger, als klitschnasses Gepäck, am Abend darauf wieder auszupacken und sich in ein nasses Zelt und einen feuchten Schlafsack zu quetschen. Ich verdrehe meine Augen, atme einmal tief ein und aus, bevor ich mich dann, mit morgendlich schlechter Laune, aus meinem Zelt traue.

Meine Laune wird nicht gerade besser, als der Starkregen mich innerhalb, von nur wenigen Sekunden komplett durchnässt hat. Unterkühlt baue ich mein Lager ab, schnüre mein Gepäck auf die Harley und lasse den Motor meiner Maschine aufheulen. Noch bevor ich die Kraft zusammenbringe loszufahren, stelle ich meine Griffheizung auf die höchste Stufe ein. Wie ein Affe sich an seine Banane krallt, kralle ich mich an diesem Morgen an meine Griffheizung. Ganz langsam, spüre ich wie mein Körper sich wieder mit Wärme füllt, schalte in den ersten Gang und folge den Straßen der Färöer Inseln.
Immer wieder mache ich Zwischenstopps und begutachte die einzigartige Natur. Das Gras hier ist so unfassbar grün und mit dem frischen Regen, riecht es köstlich nach Frühling. Klippen ziehen sich um die 18 Inseln und verleiten ein mystisches Gefühl. Tausende Schafe, haben das Land für sich erobert. Ihre Halsglöckchen klingen wie Musik in meinen Ohren. Egal wohin ich blicke, ich sehe Wasserfälle, Nebel und Tunnel weit und breit. Keine Bäume, keine großen Städte, kein Laut. Es ist alles ruhig, bis auf die Geräusche der Natur. Ich schließe meine Augen und genieße das Freiheitsgefühl, was sich in mir ausbreitet. Ich strecke meine Hände aus und lasse den kalten Regen auf meiner Haut abperlen. Herrlich!

So fahre und genieße ich an einem regnerisch, kühlem Tag, nahezu alle Inseln, die über Tunnel oder Brücken erreichbar sind. Von Torshavn über Sørvagur, bis hin zu Vioareioi. Ein Tag, der mir wohl lebenslang in Erinnerung bleiben wird. Es Regnet ununterbrochen. Normalerweise hätte ich mich irgendwo verkrochen, doch heute flasht die Natur mich so sehr, dass ich einfach immer weiter fahren muss. Mehr sehen, mehr erleben.
Später am Abend, treffe ich in einem kleinen Dorf Sreymnes auf drei Schweden, die ebenfalls mit ihrem Motorrad unterwegs sind. Klitschnass, stehen sie vor einem kleinen Hof und winken mir freudig entgegen. 

„Deswegen liebe ich Motorradfahren“, denke ich mir und weiß in diesem Moment die Motorrad Community so sehr zu schätzen. Immer grüßt man sich, kann jederzeit, jeden Motorradfahrer ansprechen und um Hilfe beten Es ist fast wie eine Großfamilie, in die man sich mit dem Führerschein „hinein kauft“ 😀

Ich mache halt und komme mit den Bikern ins Gespräch. Die Jungs sind ebenfalls mit ihren Bikes von Hirtshals aus, mit der Fähre hochgekommen, um hier einen alten Kollegen zu besuchen. Freundlich laden sie mich auf ein Glas Rum, auf seinem Hof ein.

Glaubt mir, in meinem Leben habe ich noch nie so schnell „Ja“ gesagt. Mir war wortwörtlich arschkalt und die Sehnsucht nach einer Toilette, Essen und Wärme hätte nicht größer sein können.
Ich betrete das alte Bauernhaus, ziehe meine Kombi aus, darf eine heiße Dusche nehmen, eine Fischsuppe essen und hier sogar die Nacht verbringen. Sauber und mit einem riesigen Grinsen, finde ich mich am Abend auf einem Sofa wieder, Rum trinkend, mit vier Männern, die Abenteuergeschichten erzählen, von denen ich noch lernen konnte. Ich schüttle den Kopf und kann mein Glück kaum fassen. Draußen stürmt es, während ich mich drinnen, im Warmen mit teurem Rum betrinke. Dankbar, so etwas in meinem Leben erleben zu dürfen, hielt ich mein Glas hoch und rief „to this evening“ aus.

Etappe 4 – Fähre nach Island

Gegen 8 Uhr morgens wache ich von dem Geruch, frisch aufgebackener Brötchen auf. Ich kann mein Glück kaum fassen. Schnell schlüpfe ich in meine Jogginghose, tappel die Treppen des alten Bauernhauses hinunter und erblicke einen gedeckten Tisch gefüllt mit Essen. Jauchzend wie ein kleines Kind bin ich schneller am Tisch, als ich laufen kann. „Ahggg“, schreie ich aus, als mein kleiner Zeh gegen ein Stuhlbein schlägt. Die Männer, die ihre Münder schon voll mit Frühstück gefüllt haben, lachen laut auf. Auch ich kann mir ein Grinsen nicht entgehen lassen. Wer weiß, wann ich so ein Frühstück noch ein Mal bekommen werde?
Nach dem leckeren Essen packe ich überglücklich all mein Gepäck zusammen. Ich mache mich bereit für die abendliche Fähre, die mich von den Färöer Inseln, hin nach Island bringen soll. Dankbar drücke ich die Männer, die mich über Nacht aufgenommen haben und mach mich schließlich wieder alleine auf meinen Weg.
Heute scheint die Sonne und nur vereinzelt zieht Nebel auf. Ich fahre die Straßen entlang und rein in einen Tunnel. Spaßeshalber dreh ich am Gas. „Brummmm“, sagt die Harley und löst einen Tinnitus bei mir aus, der Safe die nächsten 3 Tage nicht verschwinden wird. Trotzdem muss ich schmunzeln. Mir gehts einfach zu gut.
Nachdem ich den Tag und die Sonnenstrahlen genossen habe, geht es für mich wieder auf zum Fährhafen nach Torshavn und mit der Smyril Fähre, ab nach Island.
Die Überfahrt stellt sich als nicht besonders spektakulär dar. Ruhige See, die ich nahezu komplett verschlafen habe. Erst eine viel zu laute Durchsage, reißt mich aus dem Schlaf und lässt mich realisieren: „Ich habe Island erreicht!“ Einer meiner größten Träume wird wahr. Island, ich komme… Übermotiviert bin ich plötzlich hellwach, will die Treppen zu meinem Bike hinunterlaufen und brauche natürlich erstmal gefühlte fünf Stunden die richtige Etage zu finden. Nachdem fast alle Autos, schon von Bord gefahren sind und ich ohne Hilfe nicht klarkomme, leitet ein Mann mit knallend gelber Weste mich persönlich zum Motorrad. 

„Wie zur Hölle, komme ich überhaupt durchs Leben?“, frage ich mich selbst und kann kaum glauben, dass ich tatsächlich schon drei Jahre Reisen bin.Würde ich den ganzen Bums nicht festhalten und mit euch teilen, dann würde ich mir meine Erlebnisse wahrscheinlich selber nicht glauben. Ich bin die verpeilteste Person, die ich kenne! Ich rolle also als letztes Fahrzeug von der Fähre und bin von vornherein geflasht! Die Natur, die Berge So rau, so bedruckend, ja fast schon einschüchternd. Ich weiß genau, warum ich reisen bin. Für Momente wie diesen. Momente und Erinnerungen, die ewig bleiben werden. „Zumindest so lange, bin ich irgendwann an Demenz verrecke“, denke ich und stehe schon kurz darauf Schlüssel suchend an einer Tankstelle.
Wie ich mich selber kenne, ist der Schlüssel sicherlich in der hintersten Ecke meines verpackten Gepäcks Ich krame also alles auseinander, versperre die Tanksäule und gehe damit etlichen Autofahrern auf den Sack um dann am Ende festzustellen, dass der Schlüssel in meiner Jackentasche an Ort und Stelle liegt.
Ich bin ready für eine heiße Quelle, denke ich mir nach dem Desaster und begebe mich auf die Suche nach dem, weshalb wahrscheinlich 99 Prozent der Touris hier sind. Die Quellen, bei der das Wasser, durch vulkanische Tätigkeit erhitzt wird und hierdurch warm an die Oberfläche tritt. Island hat ca. 130 Vulkane, sprich, die ein oder andere heiße Quelle wird sich schnell auffinden lassen.
Über F-Straßen (Offroad Wege in Island) gelange ich gegen Nachmittag an einen nahezu magischen Ort. Ein Fluss durchquert das schöne Grün und endet mit einem kleinen Wasserfall in einer heißen Quelle. „Ich bin im Himmel“, denk’ ich mir und schlüpfe in meinen Bikini. Ich liebe das Fahren ohne Navi, es führt mich an die schönsten, abgelegensten Orte dieser Welt. Keine Touristen, seelenruhig und alleine. Nur ich, die Natur und so ein anderer Typ, der planschend in der heißen Quelle chillt.

Etappe 5 – eine gefährliche Nacht

Ich setze mich zu dem jungen Mann in die Quelle. Direkt wird mir ein kaltes Bier in die Hand gedrückt. Gemeinsam sitzen wir da, sehen dabei zu, wie die Sonne untergeht und betrachten später die Sterne. Wir unterhalten uns über Gott und die Welt. Ich genieße die Zeit zu zweit. Mal nicht alleine zu sein, zu sprechen und Gedanken auszutauschen. Nach einiger Zeit lässt der Mann mich alleine. Geht Schlafen oder einfach seiner Wege Ich bin wieder alleine.
Noch weitere Stunden chille ich in der Quelle und sehe staunend dabei zu, wie meine Haut nach und nach weiter verschrumpelt. „Ob meine Hände so aussehen werden, wenn ich mal alt bin?“, frage ich mich und fahre mit meinen Fingerspitzen über die schrumpelige Haut. Ich merke, wie in mir die Angst hochsteigt. Eine Angst, dieses Alter niemals zu erreichen. Eine Angst, nicht all meine Träume verwirklicht zu haben, aufzugeben oder im Leben stehenzubleiben. So sehr schwöre ich mir in diesem Moment, meinen Weg der Abenteuer weiterzugehen und meine begrenzte Zeit auf dieser Erde wertvoll zu nutzen. Solange bis ich irgendwann steinalt von meinem Motorrad falle.
Erst als am frühen Morgen die Sonne wieder aufgeht, steige ich aus der heißen Quelle. „Ufff“, die Minus 3 Grad Außentemperatur lassen mich schlagartig zweifeln, ob ich im Alter mit 80 oder so noch Bock auf solche Abenteuer haben werde. Schnell schlüpfe ich in meine Jogginghose, ziehe mir einen Pullover über und renne auf Zehenspitzen zu meinem schon aufgebauten Zelt. Mein Magen grummelt laut. „Ich habe auch schon lange nichts mehr gegessen“, denke ich mir und schaue mir meine Vorräte an. In der breiten Auswahl zwischen Spaghetti und Spaghetti entscheide ich mich kurzerhand tatsächlich für: „Spaghetti!“ Ich krame meinen Kocher hervor, erhitze das Wasser und lasse mir danach den Geschmack von ungesalzener Pasta auf der Zunge zergehen. „Gibt Geileres“, denke ich mir und träume insgeheim von einem saftigen, mariniertem Stück Fleisch. Und doch, zum Überleben reicht es aus. Gestärkt schlüpfe ich in meinen Schlafsack, ziehe ihn bis über die Nase hoch und schlafe schließlich fröstelnd ein. „Warm ist irgendwie anders“, denke ich nicht nur jetzt sondern auch am nächsten Morgen. Durchgeschwitzt und dennoch komplett ausgekühlt, sitze ich um ca. 5 Uhr in der Früh in meinem Zelt und kämpfe mit der Kälte, die hatte ich definitiv unterschätzt. Meinen Körper spüre ich kaum noch, kein Wunder bei minus drei Grad und Frost. Zitternd und völlig verzweifelt suche ich mit meinen blau und lila angelaufenen Händen nach meiner Rettungsdecke. Ich kann sie kaum greifen vor Kälte und ich merke, wie die Verzweiflung in mit hochkommt. Meine Kraft reicht nicht aus. Ich brauche drei Anläufe, um sie herauszuziehen und mir kommen die Tränen. Ich habe das Gefühl, ich bekomme keine Luft mehr. Meine Brust ist wie zugeschnürt. Wann bin ich das letzte Mal so stark an meine Grenze gekommen? Ich bekomme Angst und mir wird bewusst, dass ich im Ernstfall auf mich alleine gestellt bin. Wann würde es jemandem auffallen, wenn ich tatsächlich erfriere? 


Die Folie hat zwei verschiedene Seiten: eine goldene und eine silberne. Bei Unterkühlung soll die silberne Seite dem Körper zugewandt werden, da sie die abgegebene Wärmestrahlung wieder zurückgibt. Da ich so eine Decke aber noch nie benutzt habe und mich natürlich auch nicht im Voraus informiert habe, wie man das Ding benutzt, stehe jetzt vor der Entscheidung: Silber oder Gold? „Die Chance, es richtigzumachen ist 50/50“, denke ich mir und stülpe die goldene Seite über mich. Ganz langsam kommt mein Körpergefühl zurück und gefühlt vergeht eine Ehwigkeit, bis mir endlich warm wird und ich zurück in meine süßen Träume kehren kann. Erst am nächsten Tag lese ich die Bedienungsanleitung meiner Rettungsfolie: „Silberne Seite nach innen“ Nun denn, somit habe ich heute herausgefunden, dass mentale Einbildung bestens bei mir funktioniert.
Von jetzt an sage ich mir: „Die Kälte existiert nur in meinem Kopf.“ Kennt ihr die Geschichte von dem Mann, der sich zu Tode gedacht hat? Ungewollt wurde er in einer Kühlkammer eingesperrt und erst am nächsten Morgen erfroren aufgefunden, mit allen Symptomen eines Erfrierungstodes. Dabei war die Gefrierkammer gar nicht eingeschaltet. „Ich habe mich heute einfach nicht zu Tode, sondern wieder warm gedacht“, schmunzle ich vor mich hin und packe am Mittag meine Sachen zusammen, denn es geht für mich auf ein neues Abenteuer.
Vulkan, ich komme
Ich mache mich auf den Weg zum aktiven Vulkan in Grindavik. Einige Stunden Fahrt und 8 Kilometer Wanderweg liegen hinter mir, als ich dann zum ersten Mal in meinem Leben einen aktiven Vulkan bestaunen kann. Ein Moment, der sich so unfassbar irreal anfühlt. Die Lava hat eine Farbe so knallig und klar. Meine Augen sind wie gefesselt und können sich kaum von der Schönheit der Natur trennen. Erst am späten Abend als der Mond schon hoch am Himmel steht, die Polarlichter schwach am Himmel tanzen und die Sterne zum Vorschein kommen, mache ich mich langsam auf den Rückweg. Ich merke, wie mir beim Wandern eine Träne über die Wange läuft. „Womit habe ich dieses Leben verdient?“, frage ich mich immer und immer wieder. Heiße Quellen, Polarlichter, Vulkane und die Möglichkeit, mit meinem Motorrad Island zu erkunden Noch immer kann ich mein Glück nicht greifen und will meinen tiefsten Dank an Motorrad & Reisen, meine Fans und auch Harley Davidson aussprechen, die diese Reise möglich gemacht haben!

Etappe 6 – Nordlichter

Ich werde mutiger mit meiner Maschine. Ich fahre nicht nur zunehmend mehr F-Straßen entlang, sondern auch die F26, einmal quer durch ganz Island hindurch. Vom Süden bis in den Norden. 240 Kilometer. Auf meiner Harley, Offroad. Auf der Straße begegnen mir mehrere Water-Crossings, steinige Wege und wieder einmal eine frostige Nacht, in der ich mich tatsächlich mit der silbernen Seite meiner Rettungsfolie warm halte, um mich vor dem Erfrieren zu schützen.
Später dann geht es für mich auf die F210. Bestes Wetter, voller Tank und ready für den Tag. Das Einzige, was mich nervt, sind heute zwei Typen mit ihren fetten Reiseenduros, die mir erzählen wollen, diese Straße wäre zu schwer für mich und meine Harley. Selbst, sind sie aber die, die an der kleinsten Wasserüberquerung stehen bleiben, die Augenbrauen hochziehen und ihr 15 tausend Euro Motorrad umdrehen, um es sicher und sauber wieder in ihrer Garage abzustellen.
Ich fahre oder schiebe von Furte zu Furte. Immer wieder fliegen kleine Steine gegen meinen Motorschutz und ich entscheide mich kurzerhand mein Bike „Clonky“ zu taufen. Mit 80 Km/h, rase ich voller Konzentration über den Schotter und ende mit einer Vollbremsung vor einer Wasserdurchfahrt, die im ersten Moment unmöglich zu durchqueren erscheint. Ich parke mein Bike am Straßenrand und laufe in den Fluss. Ganz schnell, stehe ich hüfttief im Wasser. Es ist eiskalt. Ich schaue auf die fernen Berge, dessen Gipfel Gletscher bedecken. Jetzt erklärt sich auch, woher diese reißenden, eiskalten Flüsse kommen. Schon kurz darauf verliere ich das Gespür für meine untere Körperhälfte, die sich noch Unterwasser befindet. Bis auf ein Kribbeln ist mein Körper gut betäubt. „Passt mir ganz gut“, denke ich und erleide immerhin keine großen Schmerzen, während ich freudig durch die Furte spaziere.


Da ich mich gerade in einer Wasserdurchfahrt befinde, die meine Harley von der Höhe her nahezu verschlucken würde, muss ich mir erstmal einen kleinen Plan schmieden. Der Plan ist zunächst mir am Straßenrand eine Suppe zu kochen, warmzuwerden und mein Leben zu chillen. „Wird schon werden“ denke ich entspannt und krame schonmal mein Klebeband hervor. Mit dem Löffel Suppe in der einen Hand und dem Duct Tape in der anderen fange ich an, meinen Luftfilter zuzukleben. Noch völlig vertieft in meine Arbeit, höre ich hinter mir ein Motorrad, das mindestens genauso stark abbremst wie ich zuvor. Irgendein Typ der auf seiner Husky, einen langen, staubigen Bremsweg hinterlässt. Er nimmt seine Brille ab, schaut mich an und fragt: „Brauchst Hilfe?“

Ohne auf eine Antwort zu warten, ist er schon von der Husky abgesprungen. Er kramt an seinem Gepäck herum, zieht einen komischen Froschanzug hervor und steigt kurzerhand hinein. „Watthose“, nennt er den Bums und testet ebenfalls die Furte. Der einzige Unterschied, er bleibt trocken, während ich klitschnass und tropfend so dar stehe.

Mit einer entspannten coolnes die mir sehr sympathisch erscheint, schiebt er schon kurz darauf das Bike auf die andere Seite der Furte. Ein Prozess, der sich leicht anhört, aber schon eine gute halbe Stunde bedarf.
Während der junge Mann, fleißig damit beschäftigt ist, das Motorrad mit all seiner Muskelkraft auf die andere Seite zu befördern stehe ich einfach so dumm da und halte besorgt meinen Luftfilter zu.

Auf der anderen Seite angekommen, guckt der Husquana–Typ mich grinsend an und stellt sich als „Kenan“ vor. Das letzte Stück der F210 fahren wir gemeinsam und biegen anschließend auf die F208 nach Landmannalaugar ab. Hier begegnet mir eine einzigartig schöne Landschaft. Schwefelberge, die tot erscheinen und rosa-orange zwischen dunklem Gestein hervorstechen. Nebenan ziehen sich Berge entlang, die von grünem Moos bedeckt sind und der kühlen Landschaft Leben verleihen. Bei bestem Wetter brettern wir mit unseren Bikes über die Straße und enden am Abend bei untergehender Sonne an einem Campingplatz. Gemeinsam bauen wir unsere Zelte auf und setzen uns anschließend in eine heiße Quelle, die in der Nähe von unseren Zelten befindet.


 Stunden später sitzen wir noch immer in der Quelle, es ist bereits stockdunkel. Die Polarlichter tanzen knallgrün am Himmel und ich genieße nach langer Zeit einfach mal wieder Zweisamkeit. Reden, Lachen und die Reisepläne austauschen.

Auch wenn ich alleine reise, fühle ich mich selten wirklich einsam oder alleine. So oft begegne ich Menschen, die mein Abenteuer für wenige Kilometer begleiten.


Glücklich und zufrieden schlafe ich in dieser Nacht in meinen Schlafsack gekuschelt ein. Überlebt habe ich diese Nacht tatsächlich auch ohne Rettungsdecke. Mein Schlaf ist erholend, allerdings treibt eine leichte Blasenentzündung mich nächtlich mehrmals nach draußen. Der Himmel ist noch immer sternenklar.

Ich lege meinen Kopf in den Nacken und schaue den Polarlichtern beim Tanzen zu.

Mittlerweile erscheinen sie mir nahezu lila. Hier und da werden sie von einer Sternschnuppe durchkreuzt. Wieder kribbelt mein ganzer Körper und nur schwer lässt sich sagen, ob aufgrund der Kälte oder der Dankbarkeit solche Momente erleben zu dürfen.

Schon bald geht die Sonne auf und ich merke wie mein Körper sich langsam erwärmt. Glücklich darüber, tatsächlich mal auf einem Campingplatz zu sein, suche ich die Duschen auf und bemerke erst jetzt, dass die Letzte auch schon mindestens zwei Wochen zurückliegt. Normalerweise schnappe ich mir einfach einen Waschlappen, halte ihn unter einen Wasserfall oder in einen See und säubere mich damit. Trotzdem ist das natürlich nicht dasselbe. 5 Minuten stehe ich einfach so da, genieße das heiße Wasser der Dusche und kann dabei zusehen, wie sich das Wasser im Ausguss langsam braun färbt. Sachte streichle ich über meine Haut und genieße die Wärme des Wassers auf meiner Haut. Ein Gefühl, das eine enorme Bedeutung bekommt, wenn man es nicht selbstverständlich täglich erleben kann.

Wieder frisch gewaschen schlüpfe ich in frische Klamotten und mache mich auf den Weg zu den umliegenden Bergen. Die Sonne scheint, mir ist warm und die Lust zum Wandern ist riesengroß. Kenan schließt sich mir an und gemeinsam wandern wir in Motorradschuhen ganze 16 Kilometer die Berge auf und wieder hinab. Erst danach, beim Ausziehen meiner Schuhe nehme ich die Blasen an meinen Hacken wahr und wische mir das Blut von den Versen.


Es wird ersichtlich Zeit mich wieder aufs Motorrad zu schmeißen und meinen Füßen etwas Ruhe zu gönnen. Freundlich verabschiede ich mich von Kenan und setze meine Reise vorerst wieder alleine fort. Dankbar für die schöne Zeit winke ich ihm zum Abschied und fokussiere mich wieder auf meinen eigenen Weg. Vor mir liegen einige Wasserdurchfahrten, schwierige Straßen und schlechtes, wie auch gutes Wetter: Sturm, Schnee, Sonnenschein und Kälte lassen sich die nächsten Tage bei mir blicken.

Die nächsten Wochen vergehen wie im Flug. Ich erlebe so viele Abenteuer, treffe auf wundervolle Menschen und wandere mir mehr als einmal die Füße wund. Insgesamt verbringe ich hier auf der Insel nahezu zwei Monate. Zwei Monate in denen ich mir den Traum von einem aktiven Vulkan, Offroad fahren mit einer Harley und zahlreichen Wasserfällen erfüllt habe. Beispielsweise der Wasserfall Dettifoss, der in Europa zu einem der energiereichsten gehört. Zur abendlichen Stunde sitze ich auf einem Stein, schaue auf das reißende Wasser und genieße den Blick auf einen dramatischen Himmel. Ein Anblick, der nahezu angsteinflößend erscheint.

Schon bald geht es mit der Fähre von Seydisfjord zurück nach Hirtshals. Ich träume schon jetzt von meinen Reisen, die noch weit in der Zukunft liegen. Nordkapp, Asien und Südafrika. Doch hier und jetzt neigt sich erstmal eine unvergessliche, wundervolle Zeit dem Ende zu. Eine Zeit, die man hier in wenigen Seiten kaum beschreiben kann. 

Für mehr Insides meiner Reise könnt ihr nicht nur auf meinem Instagram–Account „Affe_auf_Bike“ vorbeischauen, sondern auch auf dem Account von „Motorrad&Reisen“. Hier findet ihr wöchentliche Tagebucheinträge und könnt so noch tiefer in mich und meine Reise hineinblicken.